VinZ - Fish Tank: Limmatstrasse 206, Zürich
Eine sitzende nackte Frau streicht einer anderen Nackten, die sich lasziv auf ihrem Schoss räkelt, mit einer Feder über den Bauch. Anstelle ihrer Gesichter, sind die Damen mit Köpfen von Vögeln ausgestattet, die sich durch die unpassende Anatomie, ihre Farbigkeit und Proportion von den schwarz-weissen Menschenkörpern abheben. Der Hintergrund ist tapeziert mit verblichenen schriftlichen Dokumenten, die sich auch in die Frauenkörper einschreiben.
Diese Szenerie beschreibt das Werk „Sweet tickling“ des valencianischen Künstlers Vinz.
Die drei Komponenten Fotografie, Malerei und antiquarische schriftliche Dokumente zeichnen seine Collagen aus. Die Protagonistinnen in seinen Werken sind Hybride aus Frau und Tier, meist mit den Köpfen von exotischen Vögeln ausgestattet, auch Fisch- und Stierköpfe kommen vor. Die erotischen menschlichen Posen werden durch das tierische Antlitz relativiert. Die Frauen werden durch ihr fehlendes Gesicht nicht nur anonymisiert, sie werden zu Fantasiefiguren, die in ihrer Mischung aus Frau und Vogel mit der mythologischen Figur der Harpyie in Verbindung gebracht werden können. Die Töchter der Sturmwinde und Mischwesen aus Vogelkörper und Frauenkopf machten auf Befehl des Zeus jagt auf die Seelen der Menschen. Obwohl die Figur bei Vinz umgedreht wird – Menschenkörper und Vogelkopf – ist die Orientierung an antiken Bilderfindungen eine Beobachtung wert, denn das Spiel mit Referenzen auf die klassische Mythologie oder Szenen der christlichen Ikonografie findet sich in verschiedenen von Vinz’ Werken. Betrachtet man die Pose der beiden Frauen in „Sweet tickling“ genauer, fällt auf, dass sie an die Pietà erinnert, die Figur der trauernden Maria die ihren sterbenden Sohn nach der Kreuzabnahme auf den Knien hält. Die Pose der ölverschmierten Vogelfrau die aus der Shell Muschel steigt, ist unverkennbar Boticellis „Geburt der Venus“ entnommen, während in „Ochlophilia“ der Verweis auf Delacroix’s ikonisches Werk „La Liberté guidant le peuple“ unschwer zu erkennen ist.
Wie schon das Pseudonym Vinz feel free verrät, ist das Konzept der Freiheit eines der Hauptthemen in Vinz’ Schaffen. Wenn die Vogelfrauen als Rebellinnen agieren und sich der Staatsgewalt mit wilden Gebärden, Molotov Cocktails, faulen Eiern und Spraydosen widersetzen wird damit die individuelle Freiheit propagiert. Die Symbolik der Tierköpfe zeigt sich hier besonders stark. So sind es auf der Seite der Revolutionäre immer die Vögel- und Stierköpfe die sich wiedersetzen, die somit die Selbstbestimmung und den Widerstand symbolisieren, während die Polizisten in Vollmontur mit Eidechsenköpfen ausgestattet sind.
Als weitere Komponente der Bildsymbolik von Vinz sind die Menschen mit Fischköpfen zu nennen. Sie tauchen meist in Bildern auf, die das übertriebene Konsumverhalten unserer Gesellschaft zum Thema haben. Diese Collagen funktionieren als direkte Zitate auf Werbekampagnen rentabler Luxusmarken. Vinz fügt sogar die originalen Logos der Marken in seine Bilder ein, allerdings spiegelverkehrt – als Verweis auf die Falschheit und Verkehrtheit der Welt wie sie uns von der Werbung vorgelebt wird? Nicht nur die Modebranche ist Ziel seiner Kritik. Werke wie "Honest Advs.: Pacha Ibiza" auf welchem eine nackte Frau mit Fischkopf neben dem Logo des wohl berühmtesten Nachtclubs der spanischen Partyinsel abgebildet ist, stehen stellvertretend als Satire auf den grenzenlosen und übertriebenen Konsum der heutigen Wohlstandsgesellschaft. Dass die Frau dabei einen rot-weiss gestreiften Badeanzug trägt, wie ihn die Herren des beginnenden 20. Jahrhunderts zu tragen pflegten, erscheint im ersten Moment nicht schlüssig. In Vinz‘ Werk ist jedoch auch diese gestreifte Badehose ein immer wiederkehrendes Motiv.