Sie sind noch nicht 30 Jahre alt. In Bern kündigt sich ein Generationenwechsel an mit zwei neuen, junge Galerien.
Sind sie das jetzt, die Business-Punks? Diese erbarmungslos smarten Jungmänner, deren Anzüge aussen nach Geld aussehen, die Innenfutter aber wie moderne Kunst? Start-up-Athleten, nach denen eine Zeitschrift benannt ist («work hard, play loud»). Der «Entrepreneur with attitude», ist er in Bern angekommen?
Anlass zu dieser Frage gibt der Umstand, dass sich die Galerienszene in der Altstadt gerade ziemlich verjüngt: Die Galerie Rigassi wird von Fabian Schmid und Andrej Malogajski und damit von Soon übernommen; und seit Oktober letzten Jahres betreibt Kevin Muster die Galerie Muster-Meier an der Brunngasshalde. Keiner der Genannten ist älter als 30. Besetzen die Art-Business-Punks nun also auch hier die Räume, die sie brauchen, um für den Geschäftserfolg blöd zu tun?
Den Schwung mitnehmen
Doch auf den ersten Blick ist nichts so richtig wild an diesen Jungen. Die einen duzen, der andere siezt: Schon die guten Umgangsformen unterscheiden sich nur in Nuancen. Tatsächlich liegt die Provokation allein in der Abwesenheit von Kommerzkritik, in der pragmatischen Selbstverständlichkeit, mit der Schmid und Malogajski sagen, sie hätten nie ein Off-Space sein wollen: «Wir nannten uns von Anfang an «Galerie». Wir verstanden uns schon immer als Start-up.»
Gemeint ist die Zeit, als Soon erst eine an verschiedenen Orten auftauchende Ausstellungsreihe war, 2012 in der hinteren Lorraine eine alte Schlosserei mit immer mal wieder verbotener – aber weiterhin offener – Bar bezog und dann in Zürich sogar ein zweites Ladenlokal eröffnete. Ein bisschen ins Grübeln kamen die beiden Jungunternehmer mit Abschlüssen in Kulturmanagement und Wirtschaftsrecht dann aber doch, als ihnen Raphael Rigassi anbot, seine Galerie an der Münstergasse und einen Teil seines Portfolios zu übernehmen. Die Miete ist immerhin etwas mehr als doppelt so hoch wie in der Lorraine – und doch scheint es, das mache Malogajski und Schmid weniger Sorgen als Spass.
Das von Business-Punks verdorbene Wort «Herausforderung» liegt in der Luft, die beiden haben aber genug Stil, es nicht auszusprechen. Vielmehr sagen sie: «Wir versuchen, den Schwung aus der Lorraine mitzunehmen», und meinen damit nicht nur ihr Publikum, sondern auch den sich gegenüber dem Kunstfimmel unangepasst gebenden Geist der Street-Art, von wo einige der von Soon vertretenen Künstler kommen.
Wand und Leinwand
Auf in der Kunstszene durchaus herumgereichte ästhetische Reinheitsgebote legen Malogajski und Schmid keinen besonderen Wert: «Wir sind unsere eigene Stilpolizei.» Obwohl etwa die Hälfte der Soon-Künstler eine Kunstschule besucht haben, sei das Fehlen einer professionellen Ausbildung kein Ausschlusskriterium. Gehängt wird, was beiden gefällt. Das sieht man. Einiges in der Eröffnungsausstellung bei der nun «Rigassi by Soon» genannten Galerie ist ziemliche Geschmackssache. Das ist vielleicht das Problem der Street-Art-Ästhetik, die, weil sie rasch und prägnant Eindruck machen muss, einen Hang zum Überdeutlichen und zum Pathos hat. Das steht der Wand besser, der Leinwand schlechter.
Aber darauf sollte Soon nicht reduziert werden, es stehen auch andere, weniger illustrative Positionen im Programm. Und: Das kühle Monumentale in der Malerei Thomas Hartmanns, die Präzision der Trauer in den Kohlezeichnungen Charles Stivens, das ist schon sehenswert. Überdies bietet die auch noch keine 30 Jahre alte Solothurnerin Dimitra Charamanda mit ihren zwei Ölbildern «Piscina» und «Euphemia» einen Weg in den Raum zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion an, einen überaus zeitgemässen Realismus – und das ist dann unbedingt sehenswert.
Das Beste für die Bilder
Ob man hingegen die in den nächsten Tagen zu Ende gehende Ausstellung «Heat-Affected Zone» bei Muster-Meier gesehen haben muss? Ist das nicht noch etwas viel Malerei im Zustand des Ausprobierens? Ausgenommen einzelne Werke von Christian Hans Albert Hoosen, der eine ebenso narrative wie expressive, hastige Art hat – und tatsächlich einen provokativen Gestus pflegt, den sein Galerist Kevin Muster, zuvor bei der Bromer Art Collection in Roggwil beschäftigt, allerdings nicht erfüllen mag. Auch bei ihm ist Kommerz nicht per se ein Schimpfwort und Geschäft eine Selbstverständlichkeit, nicht aus Himmelsstürmerei, sondern weil es vernünftig ist: «Wer sich der Kunst verschreibt, soll von ihr leben können, dafür will ich sorgen», sagt Muster, der sich als «Dienstleister» versteht und sich auf drei Säulen stützt: Galerie, Kunsthandel und Online-Auktionen (für die er soeben einen «marktfrischen» Poliakoff von 1962 aufgetrieben hat).
Sein Raum an der Brunngasshalde, eine ehemalige Kutschenremise, bietet sich für grosse Gruppenschauen an, die Muster mit konzeptuellen Überlegungen auflädt. In der nächsten Ausstellung – mit Andrea Heller, Andreas Dobler, Wolfgang Zät und Suet Yi Chan – will er die eigentlich stumme Kunst als «Materialisierung von Geräuschen» zeigen. Er stellt ihr den schönen Satz von Aby Warburg über die Kunst voran: «Du lebst und thust mir nichts.» Auch nicht so richtig Business-Punk, muss man sagen, diese Haltung. Aber vielleicht einfach diejenige eines Galeristen, der das Beste für seine Bilder will.
Galerie Rigassi by Soon: Eröffnungsausstellung, 11.3. bis 16.4. 2016 Galerie Muster-Meier: «Heat-Affected Zone», bis 12.3, «I Was Wondering About a Noise», 7.4. bis 14.5.