Die jungen Wilden übernehmen

Helen Lagger, Berner Zeitung, February 25, 2016

Der alte Hase Raphael Rigassi (74) hat endlich Nachfolger für seine Galerie gefunden: Er konnte Fabian Schmid (29) und Andrej Malogajski (29) , die beiden Geschäftsführer der Galerie Soon, überzeugen, die Berner Institution zu übernehmen.

Irgendwann im Winter letzten Jahres betrat Raphael Rigassi die Galerie Soon in der Lorraine. Er hatte klare Absichten und liess auch gleich die Katze aus dem Sack. Verschiedenste Leute hätten ihm Fabian Schmid und Andrej Malogajski, die beiden Betreiber, als mögliche Nachfolger seiner eigenen Galerie ans Herz gelegt, so der 74-Jährige. Schmid und Malogajski stutzten erst mal. Ihr Ausstellungsraum, eine ehemalige Werkstatt, die sie in stundenlanger Arbeit zu Galerie und Bar umgebaut hatten, ist ihnen über die Jahre ans Herz ge­wachsen.

 

Die 2010 gegründete Galerie Soon gilt als Geheimtipp in der Szene. Beliebt sei der Ort für seinen unprätentiösen Zugang zur Kunst. Die eingemietete Zoo Bar sorge zudem dafür, dass Vernissagengäste oft sehr lange blieben. Schritt für Schritt haben die Galeristen einen jungen Kundenstamm aufgebaut. Die teuersten von Soon verkauften Werke liegen im fünfstelligen Bereich. Das Zahlen in Raten gehört zur Geschäftspraxis. Jemand mit wenig Kaufkraft habe einmal während zweier Jahre ein Bild abbezahlt.

Nomaden der Kunst

Schmid und Malogajski sind langjährige Freunde. Beide sind in Bern geboren, beide werden dieses Jahr dreissig Jahre alt. Bereits als Gymnasiasten betätigten sie sich als Kulturschaffende. Während des Irakkrieges organisierten sie in Bern Protestkonzerte. 2008 konzipierten sie die Schau «Very Contemporary» im Berner Progr. Eine geballte Ladung Street-Art gab es zu entdecken.

Einen fixen Raum hatten die Ausstellungsmacher damals noch nicht. Sie organisierten ihre Schaus in Bern und Zürich an verschiedenen temporären Ausstellungsorten. Beim Talweg in der Lorraine fanden sie schliesslich ihr Glück und wurden auch in Zürich sesshaft, wo sie an der Limmatstrasse eine Zweitgalerie führen. Das Nomadentum hatte ein Ende. Und nun Rigassis Angebot.

 

«Ihr habts hier schön, aber ihr müsst in die Altstadt kommen», meinte das stadtbekannte Original bei seinem Besuch in der versteckt gelegenen Berner Filiale. Bis die Würfel gefallen waren, brauchte es manches Nacht­essen, es wurde heftig diskutiert. Warum einen grösseren für einen kleineren und teureren Raum aufgeben? Schliesslich punktete Rigassi mit seiner Charmeoffensive. «Er ist eine spannende Person, von der wir viel lernen können», so Schmid.

Die Eröffnungsausstellung im März läuft noch unter dem Motto «Galerie Rigassi by Soon». Haben die beiden Jungen nicht Angst, der alte Hase könnte nicht loslassen? Das sei bei den Gesprächen durchaus Thema gewesen, geben sie zu. Doch man habe sich geeinigt, dass sie als neue Geschäftsführer stets auch das letzte Wort hätten. Rigassi sieht es pragmatisch: «Gut, wenn die Jungen das Ruder übernehmen.» Bern sei doch masslos überaltert. Rigassi wird allerdings als Berater im Hintergrund figurieren.

Etabliertes und Experimente

Prallen dabei nicht zwei verschiedene Kulturen aufeinander? Rigassi winkt ab. «Wir haben ähnliche Einstellungen, und die beiden haben Erfahrung», sagt er bestimmt. Seine Kunden seien von ihm selbst auch immer mit gewagten Vorschlägen überrascht worden. Er habe vor 25 Jahren ähnliche Visionen wie Soon gehabt. Tatsächlich präsentierte der einstige Starfrisör Werke von Jean Tinguely, Klaudia Schifferle und anderen Grössen, als diese noch wenig etabliert waren.

An der Eröffnungsausstellung sind sowohl Künstler aus dem Pool von Rigassi wie aus jenem von Soon vertreten. Versponnene Arbeiten von Till Könneker treffen dabei auf Aufgeräumtes von Charles Stiven, Experimentelles auf Etabliertes.

 

Ausstellung: bis am 16.?4. Eröffnung: Fr, 11.?3., ab 17 Uhr in der Galerie Rigassi by Soon, Münstergasse 62, Bern. www.soon-art.ch